Der Kunde liegt manchmal falsch – über den Umgang mit Spannungen


Schon einige Jahre hatte ich als Projektmanager eines spezialisierten Serviceanbieters gearbeitet, als ich die Urlaubsvertretung für eine sehr junge Kollegin übernahm.

Wir folgten einer einheitlichen Struktur für die Projektbetreuung und es war einfach, sich über den Ist-Stand zu informieren, wobei sich das auf „Messbares“ beschränkte.

Ich wusste, dass es „Schwierigkeiten“ mit ihrem Kunden gab, hatte bisher aber keinen Anlass, mich inhaltlich damit zu befassen. Dabei hätte ich ihr womöglich schon lange helfen können …

Alles in Allem präsentierten sich mir ein bislang unbekanntes Informationsgewirr und beidseitig verhärtete Positionen, wobei die eigentlichen Inhalte längst Staffage waren.

Kurze Zeit später lernte ich den „Haken“ kennen. Stetig wachsende Wunschvorstellungen standen schlichten Vereinbarungen gegenüber, von deren Einhaltung wir meilenweit entfernt waren. Nichtsdestotrotz gab es seitens des Auftraggebers absolut klare Vorstellungen zur Einhaltung vertraglich zugesicherter Liefertermine und Genehmigungen, für deren Nichteinhaltung eine Klage bereits in Aussicht gestellt war.

Was tun ?

Ich ging in Klausur. Nahm die Ist-Situation auf, stellte Wunschgedanken dem vertraglich Vereinbarten gegenüber und nahm dabei auch ganz generelle Informationen in die Hand, die ich systematisch gesammelt hatte. Diese waren unstet und nirgends Bestandteil eines noch so speziellen Informationssystems.

Sie beschrieben Erfahrungen, die ich berücksichtigen musste, da sie sich im Lauf der Zeit wiederholten; Dinge, die ich nicht steuern konnte – ob sie mir gefielen oder nicht. Informationen über Bearbeitungszeiten, ganz spezifische, individuelle Anforderungen und Prozessabläufe eigentlich gleichartiger Behörden, Lieferbeschränkungen und Quarantänezeiten in anderen Ländern, Lieferzeiten von Kurieren, usw. usf.

Daraus ergab sich für mich ein transparentes Bild aus

Alter Welt <-> Notwendigkeiten <-> Neuer Welt <-> realistischen Aussichten

Mit dieser Gegenüberstellung informierten wir den Kunden, was wir in welcher Form und bis wann benötigen. In diesem speziellen Fall ging so weit, dass dem Auftraggeber und Rechteinhaber unmissverständlich Augen geführt wurde, was im Falle seines Nicht-Lieferns passieren, oder besser NICHT passieren würde und welche Konsequenzen sich daraus ergäben.

Ich kannte das Geschäft gut genug, um prospektives Geschehen zu 98 % stichhaltig abzuschätzen.

Danach erhielten wir, was wir brauchten und der Kunde erhielt, was er brauchte. Wir konnten uns wieder auf Inhalte konzentrieren und selbst das Genehmigungsverfahren ging noch im gesteckten Zeitrahmen und Umfang durch.

Und die gesammelten Werke ?

Sie wurden

  • Hilfsmittel für alle unsere Projektmanager
  • um ergänzende Sichtweisen und Fragestellungen ausgebaut
  • durch Andere konstant auf dem aktuellsten Stand gehalten
  • Bestandteil der Trainings
  • Bestandteil diverser Prozesse in Business Development, Proposal Management, Einkauf, Qualitätssicherung und –kontrolle …

Sie sorgten künftig an vielen Stellen für gezielte Entscheidungen, Entspannung und verlässlichere Annahmen.

Wie viel einfacher hätte es sein können, wenn diese Informationen schon im Vorfeld meiner Kollegin zur Verfügung gestanden hätten.

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PS :
Jahre später habe ich übrigens für den Auftraggeber direkt gearbeitet – er verfügte über ein schier unglaublich spannendes Portfolio. Was ich einst für typische Symptome zu schnell wachsender Start-Ups gehalten hatte, besaß Methode.

So übernahm ich in dieser Zeit von einem Serviceanbieter kistenweise Papier für ein Projekt, das vollends aus dem Ruder gelaufen war. 58 (!) vollkommen losgelöste, unkontrollierbare, sich teils widersprechende Nachträge innerhalb nur eines von zwei voneinander abhängigen Projekten und verloren gegangene wichtige Daten waren die Spitze eines gewaltigen Eisberges.

Die Entwirrung ist gelungen. Der entstandene Aufwand stand in keinem wirtschaftlichen Verhältnis mehr und auch der Auftraggeber verabschiedete sich mittlerweile vom Markt.